Badischen Zeitung vom 8.1.2010


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Morat-Institut setzt mehr auf den Bestand
 

Das Freiburger Morat-Institut hat sein Konzept überdacht. Ergebnis: Die Bestände – und was dazu kommt – werden in Zukunft im Mittelpunkt der Ausstellungen stehen. Welche Idee steckt dahinter?
 

Von Volker Bauermeister

 

Schon das vergangene Jahr war kein übliches Ausstellungsjahr im Freiburger Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft. Früh im September kam der rotierende Betrieb zum Stehen. Die Arbeiten des Malers Herbert Maier werden erst nach zwölf Monaten die Hallen wieder verlassen. Und es wird danach nicht weitergehen wie vorher, als hätte der Stopp nicht stattgefunden. Der Ausstellungsrhythmus soll sich verlangsamen. Diese "Frequenz" des Wechsels wird es nicht mehr geben, wie Franz Armin Morat erklärt. Und nicht mehr dies breite, selbst auch ins Beliebige ausufernde Programm. Die Ausstellungen werden künftig nur noch aus den Beständen der Sammlung bestritten, beziehungsweise, Zuwächse der Sammlung dokumentieren.
 

Unter dem Namen Herbert Maier, dem die gegenwärtige Wechselausstellung gewidmet ist, ist jetzt im Foyer an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand der des Plastikers und Grafikers Franz Bernhard zu lesen. Dessen die Menschenfigur eigenwillig konstruktiv objektivierende, suggestiv archaisierende Werke haben an Platz und Sichtbarkeit im Haus gewonnen. Skulpturen aus Holz und Eisen sowie Zeichnungen aus dem Fundus der Stiftung: Köpfe und Büsten, Figuren, Figurenfragmente. Bernhard ist ein bleibender Bestandteil der Schausammlung. Die Bilder Maiers werden im September von denen Artur Stolls abgelöst – des vor sieben Jahren verstorbenen Norsinger Künstlers. Dessen Bildarbeit – eine große beschwörende Rede, ein furioser Akt der Selbstvergewisserung! – sollte ja wirklich nicht aus dem Blick geraten. Und nicht weniger als 800 Werke besitzt die Stiftung von ihm. In der Ausstellung werden malerische Großformate zu sehen sein. Morat war Stoll sichtbar verbunden. Nicht weniger dem österreichischen Maler Kurt Kocherscheidt, dessen monumentale Holzarbeiten nun im Herbst ihren festen Hallenplatz einnehmen sollen.
 

Der Sammler erläutert, was er für die Stiftung, die seit Oktober mit neuem Vorstand dasteht (darin vertreten ist der Direktor des Erfurter Angermuseums Wolfram Morath-Vogel), noch sonst längerfristig an Schauprojekten im Kopf hat. Eine Afrika-Ausstellung ist ihm wichtig, die den eigenen Skulpturenbestand mit der Sammlung von Plastiken der Lobi und Dogon Herbert Maiers vereinigt – und dessen Aufenthalte in Westafrika in ihren künstlerischen Spuren anschaulich machen wird. Auch wird der Morat-Werkblock des informellen Malers Gerhard Hoehme nun wohl einmal sichtbar werden. Und sich in absehbarer Zeit auch Einblick in die enorme druckgrafische Sammlung bieten, die der Öffentlichkeit überhaupt nur in Ausschnitten bekannt ist. Morats gesammelter Goya befindet sich gegenwärtig wieder auf Tour. Die Kollektion aber fasst im Medium der Kupferstiche und Radierungen Kunstgeschichte von Jahrhunderten zusammen: von Mantegna, Schongauer und Dürer über Rembrandt und Claude Lorrain bis zur Moderne – Ensor, Beckmann, Giacometti, Wols, Morandi (von dem auch jetzt gerade einmal wieder die beiden stiftungseigenen Ölbilder gehängt sind). Und weiter zu Kirkeby, nebst anderen Heutigen.
 

Die Publikation des Werkverzeichnisses des malerisch so weit vorausweisenden Carl Schuch (1846–1903) nimmt unterdessen konkrete Züge an. Das Institut wird, wie schon beim Œuvrekatalog Kocherscheidts, als Herausgeber fungieren. Schuch-Ausstellungen in Paris und Wien sind in der Rede. Und die 30 Werke, die im Institut sind, würden auch eine Freiburger Schau allein aus eigener Kraft möglich und sinnvoll machen.
 

Und warum denn nicht einmal auch die Medaillen zeigen, die kleinplastischen Werke der Renaissance, an denen die Sammlung so reich ist – und die soeben am Kunstmarkt eine enorme Wertsteigerung erfahren?
 

Kurzum: Die ausstellungspolitische Wende, die Franz Armin Morat anzeigt, deutet auf alles andere als einen Rückzug hin. Das Institut, wie es aussieht, wird seine Konturen nachzeichnen. Die Sammlung ihre öffentliche Präsenz steigern, mit dem Abschied vom Ausstellungszirkus. In der Stiftung steckt viel Substanz. Die will vergegenwärtigt werden.
 

Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft, Lörracher Str. 31, Freiburg. Dauerausstellung: Franz Bernhard. Ausstellung: Herbert Maier, bis Sept., Samstag 11–18 Uhr und nach Vereinbarung: 0761/4765916.
 

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