Badischen Zeitung, Dienstag, 20. Juni 2023


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Der Blick in den Bernstein

Von Annette Hoffmann

 

Im Freiburger Morat-Institut trifft sich noch einmal "Die Gottsucherbande". Die Sammlungspräsentation, die sich stetig verändern soll, ist die Abschiedsausstellung der Stiftung. 

 

Vor ziemlich genau zehn Jahren schrieb der britische Künstler Ian McKeever, Monate vor Franz Armin Morats 70. Geburtstag, an den Freund einen Brief. Es wurde eine Reflexion über die eigene Arbeit und über das Verhältnis zu seinem Sammler im Speziellen. Er ist nachzulesen in dem Band "Franz im Gehäus", der eine Hommage an den Freiburger Mäzen und Kunstfreund ist. "Wenn ein Künstler sich dazu bekennt, genau das zu sein, ein Künstler, dann lernt er oder sie, das Leben zu nehmen, wie es ist, und mit den Folgen des eigenen Bekenntnisses zu leben. Ich denke manchmal, dass für manche Sammler, von denen Du einer bist, dasselbe gilt, also alles oder nichts", hielt McKeever damals fest.

 

Jetzt, Monate vor dem nächsten runden Geburtstag im November, ist es gut, sich daran zu erinnern: Die Schau ist die Abschiedsausstellung des Morat-Instituts. Selbstredend sind Werke von McKeever zu sehen wie auch von Kurt Kocherscheidt, Artur Stoll oder Herbert X. Maier, der die Gruppenschau mit Franz Armin Morat eingerichtet hat. Die Auswahl, so Maier, habe sich an den jeweils letzten Bildern orientiert und wird im Laufe der Ausstellung immer mal neu arrangiert. Und wenn in diesem Text nicht gegendert wird, hat das keine wie auch immer gearteten ideologischen Gründe, es kommen einfach keine Frauen vor.

 

Diese "Gottsucherbande", wie der Titel frei nach Bazon Brock lautet, ist männlich. Große Räume, große Formate, große Gesten. Was nicht heißt, dass in der Lörracher Straße nicht auch immer wieder Arbeiten von Künstlerinnen gezeigt wurden wie etwa Ika Huber oder Susi Juvan. Wer sich derzeit also in den Shedhallen umsieht – über deren Zukunft man mit der Stadt im Gespräch sei, so Eva Morat bei der Vernissage – schaut wie in einen Bernstein. Es ist, soviel Pathos muss sein, ein Lebenswerk. Sichtbar wird ein Bekenntnis zu einer Reihe von Künstlern – oder wie McKeever auch sagt, sichtbar werden Verpflichtungen, die Franz Armin Morat eingegangen ist. So etwas kann nur ein Privatsammler.

 

Unterhaltungskünstler, es ist Brocks Gegenbegriff zu der Gottessucherbande, ist hier niemand. Auch wenn es ja nicht immer gleich das Göttliche sein muss, dem die Suche gilt. Von Kurt Kocherscheidt sind raumgreifende Objekte zu sehen, deren Holzoberfläche immer auch Bildträger ist. Bei "Die reisende Birne" sind die Rundhölzer gleich Teil der Arbeit, damit das Bildobjekt nicht unmittelbar auf dem Boden steht. Mehrere Bretter sind grob miteinander verbunden, so dass durch den grünen und braunen Farbauftrag die Struktur des Holzes durchscheint – zumal ein Loch durch sie getrieben wurde. Nicht weniger monumental ist die Arbeit "The Boys from Kolchis" aus den 1990er Jahren, die aus oval zugeschnittenen Hölzern besteht. Die vier Teile lehnen an der Wand wie Surfbretter oder Schilde und werden oben von einer Leiste gehalten. Titel wie diese, in denen die Argonautensage anklingt, zeigen Kocherscheidts Auseinandersetzung mit griechischer Mythologie.

 

Gesucht wird in dieser Bande tatsächlich viel. Vor allem auf Reisen. Der Freiburger Maler Herbert X. Maier, der in dieser Ausstellung mit mehreren Großformaten vertreten ist, hat seine Malerei so immer wieder erneuert. Und Ian McKeever ist mit Papierarbeiten aus der "Papua-Neuguinea-Serie" vertreten, während Artur Stolls aschhelle Bilder Dach- oder Wandkonstruktionen erahnen lassen. Die Suche, ob sie über Europa hinausführt oder in Norsingen beginnt und endet, wird auf dem Bildträger weitergeführt, meist auf großen Leinwänden mit entsprechendem Körpereinsatz. Sie dokumentiert sich in ständigen Übermalungen, im Austarieren von Formen.

 

In den Grafiken, die in dieser Ausstellung erfreulich viel Platz bekommen, begegnet uns ein anderer Sammler: mehr Jäger als Entdecker. Doch die Kunstgeschichte war wohl immer schon das Rückgrat dieser Sammlung. Also: Manets Vignette des amerikanischen Autors E.A. Poe, der tote Torero und Versionen der auf einem Diwan liegenden Olympia. Auch die Radierungen des Künstlers und Geologen Per Kirkeby haben ihren Platz in der Kunstgeschichte gefunden als ein Nachvollziehen erdgeschichtlicher Kräfte durch die Linie und die Radiernadel. Kirkeby konnte auch anders, aber hier ist er auf dem Experimentierfeld der kleinen Form zu erleben.

 

Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft, Lörracher Str. 29, Freiburg. Samstag 11 bis 17 Uhr.

 

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