Badische Zeitung, Montag, 17. Januar 2013


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Vergewisserungsarbeit

"Natur – Kultur":

Hans Rath und Jan van der Pol, Ausstellungen im Freiburger Morat-Institut. 


Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Titel der aktuellen Ausstellung im Freiburger Morat-Institut, "Natur – Kultur. Hans Rath/Jan van der Pol. Bilder und Zeichnungen" klingt zwar nach einer Doppelausstellung, meint aber keine. Statt dessen: Zwei Künstler der Morat-Stiftung präsentieren ihre Werke in zwei Einzelausstellungen.

 

Nahezu achsensymmetrisch wurde die riesige Ausstellungsfläche zwischen den befreundeten Künstlern aufgeteilt: Hans Rath, der seit 1982 in Freiburg lebt, bespielt die südliche Halle sowie das südliche Kabinett, der Amsterdamer Künstler Jan van der Pol zeigt seine Malerei und Zeichnung in der nördlichen Halle und im nördlichen Kabinett. Die mittlere Halle und der Eingangsbereich wurden – fast exakt – durch eine West-Ost-Achse geteilt: Auch hier stellt der Niederländer van der Pol im Norden aus, während Hans Raths Arbeiten im südlichen Teil der beiden Räume zu sehen sind.

 

Hans Rath arbeitet nicht im Atelier nach Fotografien, sondern zügig draußen, vor dem Motiv. Eine ausgestellte Serie von Bäumen veranschaulicht, warum das so sein muss. Die mit Ölfarbe nass in nass geformten Stämme, Äste und Blätter tragen die farbliche Differenzierung des unmittelbaren Naturerlebnisses in sich. Sie bebildern den Vorgang, wie der Künstler das dreidimensional Erblickte auf der zweidimensionalen Fläche der Leinwand niedergelegt hat. Auch wenn das Motiv dazu verleiten könnte – um Romantik geht es hier nicht.

 

Wie die wirren Bilder eines Traumes

Dafür um die Faszination für die Verbindung von Realität und Malerei und für eine Wahrnehmung, die auch nach den Spuren von Veränderung sucht. Aus dieser Idee formt sich alles, auch die Porträts von Freunden und Bekannten, die Rath im Kabinett zeigt, sowie die Architektur, die Industriebauten, die in der mittleren Halle auf die urbanen Landschaften Jan van der Pols treffen. Ein Firmengelände in Frankreich taucht in sechs verschiedenen Ansichten auf. Im Laufe von mehreren Jahren ist Rath immer wieder an diesen Ort zurückgekehrt, hat sein Motiv umrundet und sich seiner eigenen Sicht auf das Vorgefundene vergewissert.

 

 

Auch für Jan van der Pol, der 1949 in Aalsmeer geboren wurde, ist die Malerei ein Mittel, sich mit der Realität auseinander zu setzen. Hunderte von Bildern aus dem Fernsehen und aus Magazinen hat er gesammelt, um sie in seinen zumeist mehrteiligen Gemälden intuitiv zu neuen, assoziationsreichen Geschichten zusammenzufügen. Der Künstler schreitet während des Malprozesses zwar schnell voran, doch vor ihm liegen zahlreiche Fotografien, die immer wieder Übermalungen und Metamorphosen provozieren. Am Ende ist jeder Bildabschnitt gleich wichtig, und alle Teile agieren nicht chronologisch, sondern gleichzeitig. Die Bebauung der spanischen Küste, der Neubau einer Großstadt in China – die vom Menschen veränderte Landschaft spielt eine große Rolle. Jan van der Pol zeigt, wie er die Welt erfährt. Doch ist es möglich, auch aus den schlimmsten, den grausamsten Meldungen des Weltgeschehens Bilder zu machen? Van der Pol sucht inhaltlich stark aufgeladene Momente, blickt auf die Katastrophe von Fukushima, in ein stalinistisches Häftlingscamp und zeigt die verstümmelten Opfer eines Serienmörders. Dass Malerei und Zeichnung für ihn gleich wichtig sind, dokumentiert er in seinem "Nachtbuch". Wie die wirren Bilder eines Traumes laufen die einzelnen Blätter dieses umfangreichen Skizzenbuches vor den Augen des Betrachters ab: der tote Gaddafi, Mengele, eine wilde Mischung von Krieg und Verbrechen. Dazwischen finden sich ruhige Ansichten von Monumenten und Landschaften, witzige Tierdarstellungen und Zeichnungen von Quadern und Kugeln.

Die schwer erträgliche Koexistenz von Schrecken und Schönheit – Jan van der Pol malt und zeichnet, nicht zuletzt auch "um damit klar zu kommen".

Do, 17. Januar 2013, Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung.

von: Antje Lechleiter

Morat-Institut, Lörracher Str. 31, Freiburg. Bis 24. März, Samstag 11–18 Uhr u. nach Vereinbarung: 0761/4765916.

 

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